Die Tochter - der 2. Roman

 

 

 

INFORMATIONEN ZUM BUCH

Herta Blamauer
DIE TOCHTER
Roman
ISBN:  978-3-903190-40-5
1. Auflage März 2021, Hardcover, Fadenheftung, Lesebändchen
436 Seiten, € 24,20

Das Buch ist im "Verlag am Rande" erschienen.

4621 Sipbachzell, Sitzbergstraße 31/2, Österreich

Maria Rosa liegt nach einem Selbstmordversuch im Koma.
Sie schwebt in einer Traumwelt zwischen ihrem physischen Körper in der Intensivstation und Erinnerungsbildern aus ihrer Vergangenheit. Erneut durchlebt sie ihre innere Zerrissenheit,
ihre Vaterlosigkeit, die zunehmende Entfremdung von ihrer Mutter, ihren Hang zur Selbstzerstörung und schließlich die Ausweglosigkeit, die in den Suizidversuch mündete.
Sie muss sich entscheiden, ob sie leben oder sterben will.

Ihre Mutter Maddalena und deren ehemalige Therapeutin, Eva Gruber, begleiten diesen Prozess. Auch sie müssen sich der Vergangenheit stellen.

Eine Geschichte über die Beziehung zwischen Müttern und Töchtern, die Suche nach den Wurzeln und das Ringen um die eigene Identität. Auch eine Geschichte über die Fähigkeit, alte Wunden zu heilen und die Kraft der Liebe.

LESEPROBE

Ich blieb einen Augenblick beim geöffneten Fenster stehen, bevor ich Maddalena anrief.
Sie hob gleich nach dem ersten Klingelton ab.
„Sì?“ Atemlos klang ihre Stimme, atemlos und ungeduldig.
„Ich habe leider keine allzu guten Nachrichten“, begann ich vorsichtig.
„Ja, ich habe Maria Rosa gefunden. Sie war in Ihrer Wohnung, ich habe sie bewusstlos aufgefunden.
Maria Rosa … Mia … Es schaut ganz nach einem Selbstmordversuch aus.“
„Per amor di Dio! Lebt sie? Wie geht es ihr?“
„Ja, sie lebt. Ich habe den Notarzt verständigt und sie wird gerade in die Klinik gebracht.
Ich kann Ihnen leider nicht sagen, wie es ihr geht.“
„O Dio … Frau Dr. Gruber, ich danke Ihnen. Ma che cosa posso fare? Was kann ich tun?“
Ich versuchte, sie zu beruhigen. Blinder Aktionismus war jetzt sicher nicht angebracht.
„Ich glaube, im Moment noch gar nichts.
Aber ich werde anschließend in die Klinik fahren, ich soll mich sowieso dort melden, als Kontaktperson, meinte die Notärztin.
Ich muss Sie darum bitten, dass ich mich in Ihrer Wohnung umsehen kann, damit ich irgendwelche Papiere – den Pass oder so – finde.“
„Sì, sì, naturalmente, natürlich können Sie sich umsehen.
Frau Dr. Gruber, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass Sie dort sind …
dass Sie meine Tochter … la mia piccolina, mia bimba … gefunden haben … so froh und so dankbar …“
Ihre Stimme, normalerweise sogar durch das Telefon volltönend, klang sehr leise,
und ich fühlte eine Welle von Mitgefühl für Maddalena als Mutter,
mich erinnernd, wie sehr mich die Krise meiner Tochter vor zwei Jahren mitgenommen hatte.
„Ich verspreche Ihnen“, sagte ich ihr, „ich fahre anschließend sofort in die Klinik und werde mich genauestens informieren.
Ich bin dort nicht ganz unbekannt und denke doch, dass ich eine Auskunft bekomme, auch wenn ich nicht verwandt bin.
Und ich rufe Sie sofort an, wenn ich irgendetwas in Erfahrung gebracht habe!“
„Grazie, grazie, tante mille grazie“, ihre Stimme war beinahe nur noch ein Flüstern,
„ich danke Ihnen so sehr, ich danke Ihnen tausendmal …
Wissen Sie“, fuhr sie nach einer kurzen Pause fort, „wir haben so viele Probleme miteinander, Mia und ich,
aber sie ist doch meine Tochter … mia figlia … und ich liebe sie doch so sehr, auch wenn sie mir das oft nicht so recht glaubt.“
„Frau Noccioli“, unterbrach ich sie, „das ist jetzt alles nicht so wichtig,
jetzt geht es erst einmal darum, dass Mia wieder auf die Beine kommt,
dann wird sie ihre Mamma sehr wohl brauchen, denke ich, dann können Sie ihr das alles sagen.“
„Sie haben recht!“ Maddalenas Stimme klang jetzt etwas fester.
„Wissen Sie, ich bin eigentlich dabei, mich vorzubereiten, ich mache eine Ausstellung in New York …
eine Riesenchance für mich, aber wenn mich Mia braucht, muss ich das irgendwie hinkriegen, dass die verschoben wird.“
„Warten Sie erst mal ab. Ich schaue jetzt in Ihrer Wohnung, ob ich Mias Pass finde, und dann fahre ich in die Klinik.
Sobald ich etwas weiß, rufe ich Sie an, und dann können Sie immer noch entscheiden, was das Beste ist!“
Maddalena schien tatsächlich etwas ruhiger zu werden.
Wir verblieben damit, dass sie auf meine Nachricht warten würde, und verabschiedeten uns.
Anschließend machte ich mich auf die Suche nach irgendeinem Identitätsnachweis für Maria Rosa.