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Narzissmus

Der Begriff „Narzissmus“ wird mittlerweile sehr häufig im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet, auch in den Medien … der oder die ist ein Narzisst oder eine Narzisstin, oft genug, ohne so genau definieren zu können, was damit gemeint ist.

Die Bezeichnung leitet sich ab von der griechischen Sage vom „Narziss“, der sich in sein eigenes Spiegelbild im Teich verliebte. Somit meint man damit einen um sich selbst kreisenden, egoistischen, selbstverliebten Menschen. Mir erscheint es allerdings wichtig, vorsichtig mit solchen Etikettierungen bzw. laienhaften Diagnosen umzugehen, da in der Fachsprache Narzissmus bzw. eine „narzisstische Persönlichkeitsstörung“ ein klar umrissenes Störungsbild bezeichnet, das in erster Linie gekennzeichnet ist durch eine Störung und Beeinträchtigung des Selbstwertgefüges.

Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung erleben einen grundlegenden Mangel an Stabilität in ihrer Selbstwahrnehmung, sie schwanken zwischen (frühkindlichen) Größenphantasien und Selbstüberschätzung einerseits, andererseits eine tiefe Unsicherheit, Abwertung und Ablehnung der eigenen Person. Sie suchen und brauchen ständige Anerkennung von außen, Kränkungen (auch vermeintliche) erleben sie als extrem verunsichernd, ja existenzbedrohend. Als Gegenstrategie werten sie häufig ihr Gegenüber ab, um sich selbst als größer, bedeutender oder besser erleben zu können, das heißt, dass sie diese ambivalente „Schwarz-Weiß-Haltung“ auch ihren Mitmenschen gegenüber einnehmen („wer nicht für mich ist, ist gegen mich“), was natürlich zu konflikthaften Beziehungen und häufigen Beziehungsabbrüchen führt. Dabei haben diese Menschen oft sehr viel Charme und Charisma, sie können leicht andere Menschen für sich gewinnen.

Menschen mit einem schwach ausgeprägten Narzissmus (den wohl die meisten von uns in Teilbereichen auch von sich selbst kennen) sind häufig beruflich erfolgreich, häufig in Führungspositionen, sie lieben es, im Mittelpunkt zu stehen und Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, was ja an und für sich noch nicht negativ sein muss.

Bärbel Wardetzki schreibt in ihrem Buch „Weiblicher Narzissmus – der Hunger nach Anerkennung“: „Wir leben in einer narzisstisch geprägten Welt, in der Werte des Alles-Machbaren und des Besserseins vorherrschen. Unsere Gesellschaft ist gekennzeichnet durch Widersprüchlichkeit von Sein und Schein. Viel Geld und Energien werden verwendet, um die äußere Fassade der Dinge zu optimieren.“

Dieses Streben nach Reichtum, gutem Aussehen und Statussymbolen kann sich besonders verheerend auswirken, wenn ein Narzisst in eine Machtposition gelangt, sein Drang nach Anerkennung macht ihn maßlos und damit korrumpierbar. Ich denke, dass Macht an und für sich nichts Negatives darstellt, gepaart mit einer ordentlichen Portion Narzissmus kann sie sich aber in die falsche Richtung entwickeln.

 

Es erscheint mir wichtig, aufmerksam zu sein, wo und wann dieses narzisstische Streben nach Reichtum und Macht auftritt, sei es in uns selbst, in persönlichen Beziehungen oder im öffentlichen Leben, und sich nicht verführen zu lassen vom äußeren Schein.

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Kommentare: 1
  • #1

    R. Appl (Mittwoch, 29 Mai 2019 15:14)

    DANKE für diese umfassende Definition bzw. Klarstellung!
    Ich schätze es, wenn die Wissenschaft ihre Aufgaben in unserem PRAKTISCHEN Leben erkennt + wahrnimmt - MUTIG und verständlich!
    Recht überzeugende Beispiele von maßlosem Narzissmus brauchen wir ja gerade derzeit nicht lang zu suchen...