Im Fremdwörterlexikon steht in der Definition zum Optimismus folgendes: Lebensauffassung, die alles von der besten Seite betrachtet; heitere, zuversichtliche, lebensbejahende Grundhaltung; philosophische Auffassung, wonach diese Welt … die Beste von allen möglichen sei; … durch positive Erwartung bestimmte Haltung …
Vielleicht sind es gerade diese Zuschreibungen, die den Begriff „Optimismus“ teilweise in ein fragwürdiges Licht gerückt haben. Ich bin nicht der Meinung, und viele von euch werden mir da wahrscheinlich zustimmen, dass wir nicht unbedingt in einer Welt leben, die die Beste von allen möglichen ist, zu vieles liegt im Argen und gibt Anlass zur Sorge um unsere Zukunft.
Ich denke, dass „gnadenloses Positiv-Denken“ zu einer Realitätsverzerrung führt und hat nichts mit Optimismus, wie ich ihn verstehe, zu tun. Nach meiner Auffassung ist Optimismus eine Grundhaltung zum Leben, ein Einstellung, die es mir ermöglicht, meinen Blickwinkel so zu verändern, dass ich neben den negativen und schwierigen Erfahrungen, die jeder Mensch in der einen oder anderen Weise machen muss, die positiven und guten Dinge in meinem Leben nicht aus den Augen verliere.
Ich höre in meiner psychotherapeutischen Arbeit immer wieder Sätze wie „Bei mir geht alles schief, nichts gelingt mir, ich kriege nichts auf die Reihe …“. Ein Teil meiner Aufgabe ist es dann, mit diesem Menschen auf die Suche zu gehen, was in seinem Leben gut gelaufen ist, was er / sie gut gemacht hat oder gut auf die Reihe gekriegt hat. Und ich habe es noch nie erlebt, dass wir nicht das eine oder andere aufgespürt hätten. Genau das meine ich mit der Veränderung des Blickwinkels: den Blick (auch) auf das Gute richten.
Dazu eine Geschichte (aus dem Gedächtnis nacherzählt): Ein alter Indianer sitzt mit seinem Enkelsohn am Feuer, und der Enkel fragt ihn, was er tun solle. Er habe das Gefühl, in ihm würden zwei verschiedene Wölfe leben, einer, der edel und gut ist und für das Wohlergehen seines Rudels Sorge trägt, und ein anderer, der böse und hinterlistig ist und nur an sich selbst denkt. Da fragt ihn der Großvater: „Und welcher von beiden wird groß und stark werden?“ Ratlos zuckt der Enkelsohn die Schultern, und der Großvater gibt ihm die Antwort: „Der, den du fütterst!“
Genauso ist es mit unserer Einstellung zum Leben. Wenn ich meinen Blick immer nur darauf richte, was schiefgelaufen ist, wo ich versagt habe, oder auch immer nur darauf, was alles Schlimmes auf der Welt passiert, schwäche ich mich selbst, meine Lebenseinstellung wird zwangsläufig negativ und düster. Ich kann aber auch dorthin schauen, wo ich etwas gut hingekriegt habe, kann mich schönen (inneren) Bildern, mit Dingen, die in mir eine positive Stimmung erzeugen, beschäftigen, mich mit warmherzigen, angenehmen Menschen umgeben (Ja, die gibt es!), ohne die schwierigen Situationen und Umstände zu leugnen. Aber ich kann dann besser damit umgehen.
Ein weiterer Satz, den ich öfters höre, ist: „Ich stelle mir lieber das Schlimmere vor, dann bin ich nachher nicht so enttäuscht.“ Dazu kann ich nur sagen, dass das so nicht stimmt. Wenn jemand eine Prüfung oder ein Vorstellungsgespräch nicht besteht, ist er auf jeden Fall enttäuscht, egal wie sehr er sich vorher eingeredet hat, dass es sowieso nicht klappen wird. Ganz im Gegenteil: die Wahrscheinlichkeit zu versagen ist – nach dem Grundprinzip der „self-fullfilling-prophecies“, der sich selbst erfüllenden Prophezeiung – wesentlich höher, wenn ich in meinen Gedanken die negative Erfahrung vorwegnehme. Und – ich habe mir in der Zeit vorher das Leben wesentlich schwerer gemacht.
Eine positive Grundhaltung, die Fähigkeit zum Blick auf das Gute, lässt sich üben, und ich möchte einige Anregungen dazu geben.
- Führen eines „Freudentagebuches“: jeden Abend drei Dinge aufschreiben, die heute gut waren, oder für Anfänger, denen dies sehr schwerfällt, drei Dinge, die heute „nicht so schlecht“ waren.
- Einmal in der Woche einen Umweg machen – in der alltäglichen Routine verlieren wir oft den Blick für das Schöne, Außergewöhnliche, Umwege zwingen uns dazu, aufmerksamer zu sein und können damit auch unseren Blick für die kleinen Dinge schärfen.
- Was fasziniert mich, erfüllt mich mit Ehrfurcht? Das kann sehr unterschiedlich sein, Musik, Poesie, Bücher, aber auch Natur … (ich habe heuer im Urlaub die Drei Zinnen umwandert, schon lange hat mich nichts mehr mit so viel Ehrfurcht und Staunen erfüllt). Das Gefühl von Ehrfurcht, das Staunen über etwas Besonderes (das Kinder noch so gut können, auch über scheinbar Belangloses, z.B. einen schillernden Käfer am Wegrand) kann mich über viel Leid und Beschwernis hinwegheben.
Dies ist nur ein kleiner Auszug, ich bin sicher, dass dem einen oder anderen von euch noch einiges dazu einfällt. Ich würde mich freuen, einige Rückmeldungen und Anregungen dazu zu erhalten.
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